Statement Gyde Jensen

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Ein Bericht der ZEIT hat seit vergangenem Freitagabend für erhebliche Unruhe in Berlin gesorgt. Der Artikel beschreibt detailliert, wie die Freien Demokraten angeblich in geheimen Sitzungen mit Strategiepapieren das Ende der Ampel-Koalition geplant haben sollen. Von einem “liberalen Drehbuch” für den Regierungssturz ist die Rede, mit dem Codenamen “D-Day”. Diese Darstellung wurde von vielen Medien und Kommentatoren aufgegriffen und hat die Diskussion um das Koalitionsaus neu entfacht. Doch bei aller Aufregung lohnt sich ein nüchterner Blick auf die Fakten – besonders jetzt, da sich die anfängliche Schnappatmung bei den Kritikern der FDP etwas gelegt hat. Schon seit der Mitgliederbefragung in der FDP waren die internen Spannungen in der Ampel das Dauerthema der politischen Berichterstattung. Erfolgreiche Gesetzgebungsverfahren, pragmatische Kompromisse oder die konstruktive Arbeit in interfraktionellen Gruppen wurden zunehmend von der Aufmerksamkeit für die wachsenden Differenzen verdrängt. Dabei hat die Ampel – trotz allem – viel erreicht. Und dennoch hat sich mittlerweile gezeigt: Die Hindernisse und unüberbrückbaren Gegensätze überwogen diese Erfolge. Wer Politik kennt, weiß: Jede Partei bewegt sich in einem ständigen Spannungsfeld von Überzeugungen, Kompromissen und strategischen Überlegungen – gerade in einer Koalition, die auf Bundesebene so noch nie erprobt wurde. Die „Fortschrittskoalition“ startete mit großen Ambitionen, doch der Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Nachtragshaushalts 2021 haben die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Diese Ereignisse und die anhaltend schwierige wirtschaftliche Lage führten zu immer größeren Spannungen zwischen den Koalitionspartnern. Für die FDP stand zunehmend die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, da fundamentale Überzeugungen immer häufiger dem Koalitionskompromiss weichen mussten. Es ist naiv zu glauben, dass Parteien auf solche Entwicklungen nicht vorbereitet sind. Natürlich hat die FDP – wie jede andere Partei in vergleichbarer Situation – Szenarien entwickelt und geprüft, wie mit einem möglichen Ende der Koalition umzugehen wäre. Dies als „geplanten Coup“ oder „Verschwörung“ zu bezeichnen, greift zu kurz und wird Politik in diesen Zeiten nicht gerecht.  Andere Parteien haben ähnliche Überlegungen angestellt. Die SPD hat frühzeitig ihre eigene Strategie entwickelt und Personalentscheidungen vorbereitet. Die vorbereitete Rede von Olaf Scholz nach der Entlassung von Christian Lindner war keinesfalls spontan, sondern das Ergebnis intensiver Vorarbeit. Politische Entscheidungen sind niemals impulsiv – sie folgen stets internen Beratungen und strategischen Überlegungen. Deutschland steht an einem entscheidenden Punkt: Wollen wir den wirtschaftlichen Niedergang stoppen und unseren Wohlstand sichern, oder setzen wir andere Prioritäten? Nach fast drei Jahren Ampel-Koalition war klar, dass eine weitere Zusammenarbeit nur auf Basis echter Überzeugungen oder einer klaren Trennung möglich ist. Die Freien Demokraten haben diese Entscheidung getroffen, weil die Zukunft des Landes wichtiger ist, als das Festhalten an einer Koalition, die sich letztlich selbst überlebt hat.  Die Ereignisse seit dem 6. November 2024 zeigen nur allzu deutlich: Es war richtig, einen neuen Weg einzuschlagen.